Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Winterruhe am Naturstandort?
Hallo,
mich würde interessieren wie die natürliche Winterruhe der Kakteen am Naturstandort aussieht, bzw. welche Faktoren dabei die wichtige Rolle spielen.
Ist es dort wirklich über Monate hinweg staubtrocken, oder ist das nur eine Kultivierungsmassnahme unsererseits, da die Pflanzen ja bei niedrigen Temperaturen ruhen und deshalb durch die geringe Transpiration Staunässe den Wurzeln schaden würde?
Und gibt es für bestimmte Kakteenarten wie z.B. bei Apfelsorten bestimmte (durch Versuche in Erfahrung gebrachte) "Kältesummen" damit diese zur Blüte kommen?
Oder ist es dort auch während der Winterruhe mal brütend heiss, und es herrschen nur sehr kalte Nächte? So dass wir durch konstant tiefe Temperaturen im Topf eine zu starke Zehrung des Flüssigkeitsreservoirs in der Pflanze verhindern, während sie trocken steht.
Also kurz, was sind die wirklich ausschlaggebenden "Trigger" zur Blüteninduktion? Temperatur, Trockenheit, oder beides?
Und wie sieht es eigtl. mit Tageslänge und Lichtintensität aus? Spielen die wirklich gar keine Rolle oder eher eine untergeordnete?
Gruss, dev
Hallo!
Ich versuche mal, das zu beantworten. Da ich aber kein richtiger Experte bin, verzeiht mir kleine Ungenauigkeiten.
Ich nehme als Beispiel die Atacama (http://de.wikipedia.org/wiki/Atacamaw%C3%BCste). Dort wachsen unter anderem ein paar Arten von Echinopsis, Copiapoa, Oreocereus und Eulychnia. Für Bildeindrücke kann ich diese Seite >Link< (http://www.atacamaphoto.com/atacama-flora/desert-flora-3.htm) nur empfehlen.
Also, die Atacama ist nun wirklich sehr trocken, vor allem weil das Klima dort vom Wetterphänomen El Nino (http://de.wikipedia.org/wiki/El_Ni%C3%B1o) stark beeinflußt wird. Dort ist es die meiste zeit des Jahres sehr heiß und, wie gesagt, sehr trocken. Das oft einzige Wasser, was den Kakteen dort zur Verfügung steht, ist der Morgentau. Die Luft kühlt sich nachts stark ab, die Luftfeuchte steigt von tagsüber ~5% auf etwa 90% an. Die Tropfen sammeln sich an den Dornen, werden von selbigen aufgesaugt und überschüssiges Wasser tropft zu Boden und wird von den flach unter der Erde verlaufenden Saugwurzeln aufgenommen. Das passiert aber nur in küstennahen Regionen. Weiter ins Landesinnere kommt die Feuchte nicht.
Somit hängen all jene Pflanzen von dem eher seltenen Niederschlag ab. Das heißt, wenn der Wasserüberfluß vorbei ist und die Trockenheit wieder kommt, müßen sie ihren Stoffwechsel herunterfahren, damit sie überleben. Sicherlich ist es dann auch etwas kühler und nicht ganz so brütend heiß. Nächtliche Minusgrade sind dann nicht auszuschließen. Auf dem Altiplano (http://de.wikipedia.org/wiki/Altiplano) zum Beispiel fällt die gesamte Flora und Fauna jede Nächt in eine Ruhezeit, weil es dort sehr oft gefriert. Trotzdem leben dort sogar Kolibris, die, wie bei uns heimische Reptilien und Amphibien im Winter, für jede nacht in eine Kältestarre verfallen.
Bei den Kakteen, die nördlich von Mexiko vorkommen, wird das Klima immer gemäßigter, also immer ähnlicher dem unseren. Man denke an die Echinocereen und Opuntia aus den USA, die bei uns daher auch winterhart sein können.
Also kalt, zumindest im Vergleich zur Hitze dort, wird es schon in der Ruhezeit der Kakteen und ihre Ruhephase haben sie definitiv. Die von uns kultivierten Kakteen haben sich an unser Klima angepasst, also an die Temperaturen in der Wachstumszeit. So brauchen sie niedrige Temperaturen, um gezwungen zu sein, ihren Stoffwechsel herunter zu fahren. Nur dann behalten sie ihren Lebenszyklus bei, der ihnen die Blüte nach der Ruheperiode "vorschreibt".
Es tragen also alle Faktoren (Temperatur, Licht, Wasserversorgung) über das ganze Jahr hindurch zu einer gesunden und blühfreudigen Pflanze bei. Was heißen soll, dass nicht nur die Ruhezeit entscheidend ist, sondern eben auch eine gute Pflege im Sommer, um deine Frage noch mal konkret zu beantworten.
Puh! Viel Text, viele Infos. :D
mfg
Uriahs
E: Wir haben doch hier im Forum einen aus Südamerika, er kann dir bestimmt genau erklären, wie das Klima dort ist. ;)
Hallo UHRIAS .
Das was Du geschrieben hast, stimmt auch so mit den Echinocereen überein.
Das brauchen die auch,obwohl das nicht immer bei dieser Pflanzengruppe zutrifft. Habe dieses Jahr auf den Boden,wie immer meine Pectinaten
unterschiedlicher Herkumft überwintert bei sage und schreibe bei -12° .
Das dauerte genau 3 Wochen,wobei wir draußen -16 bis18 ° Grad hatten..
Bloß dei den grünen Ecc. ist es nicht ratsam. ZB,Ecc,pentalopus.scheerii
salm-dyck, pappilosus usw Überwinterung bei diesen um +4-10 °
Halte man die Pectinaten trotz der Kälte doch trockern und überdeckt
mit Luftpolsterfolie. Das Soll heißen Lobivien können auch viel an KÄLTE AB.
Sie kommen ja vorwiegend aus den Anden bis in 3500m vor,wo die Luft
und auch die Kälte eine entscheidende Rolle spielen könnten oder sollen !!
Grüsse Achims:p:jo:
Olaf usm Seyerland
01.04.2009, 22:26
Nur 1 kleines Fehlerchen ist mir bei deiner Erklärung aufgefallen, Uriah:
Dornen saugen keine Flüssigkeit auf. Allenfalls kann ihre Anordnung die Feuchtigkeit nach unten zum Fuß der Pflanze leiten, wie es bei manchen Sukkulenten beobachtet wird.
Hallo Olaf,
die Dornen vergrößern die Oberfläche an der die Luftfeuchte kondensiert, die sie umgebende Epidermis nimmt die Feuchtigkeit dann auf.
Es grüßt Josef
Zu der Dornenfrage:
Erstmal, wie Josef das schon richtig gesagt hat, dienen die Dornen und auch so manche Bewollung der Oberflächenvergrößerung. Dass diese nicht nur dem Auffangen von Tau dient, wissen wir auch.
Aber ich habe einmal gelesen, dass die Dornen selbst auch Wasser aufnehmen könnten. Das geht, wenn ich mich recht entsinne, so, dass der Dorn an sich, ganz unspektakulär, vom Tau nass wird. Er nimmt das Wasser auf, wie es eben auch mit einem Stück Holz passiert. Nun soll der Kaktus dazu in der Lage sein, das Wasser aus dem Dorn mittels Osmose direkt aufzunehmen.
Vorstellbar ist es, immerhin sind manche Kakteen gegenüber dem Besprühen in der Trockenzeit verträglicher als wenn man gießt.
Zum Thema Bedornung hab' ich auch noch ein schönes Bild gefunden:
<Echinopsis chiloensis> (http://www.flickr.com/photos/cactushorridus/109905018/)
Das Bild stammt von der Seite www.eriosyce.info (http://www.eriosyce.info/NCL.htm). Dort ind auch noch ein paar schöne Aufnahmen von Kakteen am Heimatstandort. ;)
mfg
Uriahs
Erstmal danke für die ausführliche Antwort Uriahs!
Zu der Dornenfrage:
Aber ich habe einmal gelesen, dass die Dornen selbst auch Wasser aufnehmen könnten.
Ich kann mich auch erinnern so etwas mal über Melokakteen gelesen zu haben, aber Quelle weiss ich leider nicht mehr.
Gruss, dev
Olaf usm Seyerland
02.04.2009, 21:26
Zu was ham wir Experten hier? Bitte klärt uns mal, was es mit Wasseraufnahme mittels der Spinae auf sich hat. Bittbittbitt...
Hi!
Aber ich habe einmal gelesen, dass die Dornen selbst auch Wasser aufnehmen könnten. Das geht, wenn ich mich recht entsinne, so, dass der Dorn an sich, ganz unspektakulär, vom Tau nass wird. Er nimmt das Wasser auf, wie es eben auch mit einem Stück Holz passiert. Nun soll der Kaktus dazu in der Lage sein, das Wasser aus dem Dorn mittels Osmose direkt aufzunehmen.
So in etwa ist es beispielsweise auch im Buch "Kakteen" von Hans - Friedrich Haage beschrieben [vgl. S.24, 1993 Neumann Verlag]. Dort wird ohne nähere Angaben auf "neuere Forschungen" verwiesen.
Gruss,
Marc.
Olaf usm Seyerland
02.04.2009, 21:58
Dann müsste also die Epidermis unter dem Fuß des Dorns bzw. Clochidiums besonders durchlässig sein, um den Kanal direkt mit Gewebe zu verbinden und so den Wassertransport zu gewährleisten.
E: Wir haben doch hier im Forum einen aus Südamerika, er kann dir bestimmt genau erklären, wie das Klima dort ist.
Da fühle ich mich doch direkt angesprochen und hoffe etwas Klarheit in die Sache zu bringen.
Betrachtet man das Ausdehnungsgebiet der Kakteen so ist zunächst festzustellen, dass sich Kakteen auf dem amerikanischen Kontinent vom Süden Kanadas bis nach Südpatagonien erstreckt, das sind ca 16.00 Km in Nord-Südrichtung. esbleibt also nicht aus, dass in diesem Gebiet die unterschiedlichsten Klimabedingungen auftreten. Andererseits gehen die Höhenlagen in denen Kakteen vorkommen vom Meeresespiegel bis in über 4000 m. Man muss also bei der Pflerge unserer Kakteen immer die Herkunft beachten bezüglich der Kälte- und Feuchtigkeitstoleranz. Es ist zu beachten, dass zB im Herkunftsgebiet der meisten mexikanischen Kakteen und aus dem Süden der USA während des Winters kaum Niederschläge fallen, die Hauptregenzeit fällt dort in die Sommermonate. Die Konsequenzen daraus sind offensichtlich: Kühle und trockene Überwinterung.
Den von Uriah angeführten Ausführungen bezüglich der Atacamawüste schliesse ich mich voll an. Bei der Pflege der von dort stammenden Kakteen ist jedoch zu berücksichtigen, dass dort tagsüber, auch im Winter, fast immer die Sonne scheint. Infolge der "Camanchaca" (Morgennebel) erhalten die Kakteen dort während des Winters die meiste Feuchtigkeit. Trotzdem giesse ich Copiapoas und von dort stammende Eriosycen während des Winters nicht, da in Mittelchile während des Winters die Sonnenstrahlung zu gering ist um das Substrat in einem angebrachten Zeitraum wieder auszutrocknen. Also halte ich sie während des Winters kühl und trocken, auch wenn die Bedingungen am natürlichen Standort anders sind. Während des Sommers lege ich eine Giesspause während des Hochsommers ein. (Mitte Dezember bis Ende Februar, entspricht in Deutschland in etwa Ende Juni bis Ende August). Das Giessen entfällt somit hauptsächlich auf das Frühjahr und Herbst).
Bezüglich des Altiplano (Die Hochebene zwischen Peru, Bolivien und Chile) weist während des Winters ebenfalls keine Niederschläge auf, sondern geschieht hauptsächlich in den Monaten Januar und Februar (Juni, Juli in Deutschland), also Überwinterung trocken und kühl, wobei einige Minusgrade nicht schaden.
Bei den Kakteen aus dem Nordosten Brasiliens (Bahía), z.B. Melocactus muss berücksichtigt werden, dass in Äquatornähe nie Frost auftreten wird, also eine Temperatur von mindestens 12-15º vorhanden sein muss um Verluste zu vermeiden.
Andere Kakteen aus den tropischen Gebieten (Rhipsalis, Schlumbergera) bis auf eine kurze ca 4 wöchige Trockenperiode nach der Blüte ganzjährig Feuchtigkeit. nicht Nässe erforderlich ist.
Man kann sicherlich über das Thema noch viel mehr schreiben, möchte Euch aber nicht noch mehr langweilen
Dann müsste also die Epidermis unter dem Fuß des Dorns bzw. Clochidiums besonders durchlässig sein, um den Kanal direkt mit Gewebe zu verbinden und so den Wassertransport zu gewährleisten.
Da Dornen sowieso aus subepidermalem Gewebe gebildet werden müsste das Wasser nichtmal durch die Epidermis sondern könnte, sofern ein Kanal vorhanden ist, direkt rein.
@Lautaro: Danke für die detaillierten Infos! :jo: War auch keineswegs langweilig zu lesen. ;)
@dev: Stimmt genau. Zudem haben die Areolen ja auch ihre eigenen Leitbündel, die zu ihnen hinführen. Schon mal, weil sie Vegetationspunkte sind, die Neutriebe und Knospen bilden. Eine direkte Anbindung an die Dornen (sind ja rückgebildete Blätter) ist durchaus vorstellbar.
mfg
Uriahs
E.: Ha! Der Wikipedia-Artikel zu Dornen (http://de.wikipedia.org/wiki/Dorn_%28Botanik%29) bestätigt es:
Dornen sind stets von Leitbündeln durchzogen.
Ok, 110% Verlässlichkeit ist nicht garantiert. Aber interessant ist das trotzdem.
für den zweifler Olaf:
http://www.springerlink.com/content/x2151314u63w292r/
Man kann sicherlich über das Thema noch viel mehr schreiben, möchte Euch aber nicht noch mehr langweilen
Hallo??
Du kannst uns ja alternativ auch mal zum Kaffee einladen :D . Wo sonst bekommt man Liveberichte von Kakteenstandorten?
Olaf usm Seyerland
03.04.2009, 21:49
Kleiner Hardy, in Wahrheit bin ich doch k1 2fler. So 3st kann ich nicht sein. Ich danke dir 4 den Link. Es fehlte mir schlicht an Vorstellungsvermögen, dass die Spinae wirklich saugen können, wo sie doch so fest sind.
Hallo elkawe,
der Aufforderung euch zum Kaffee einzuladen werde ich gerne nachkommen, müsst Euch halt nur melden sobald ihr angekommen seid. Ihr dürft euch vor dem Weg nachhause auch gerne ein wenig bei mir ausruhen.
Spass beiseite. Betrachtet man die komplexe Struktur der Dornen einiger Arten z.B. Turbinicarpus, kann man sich gut vorstellen, dass diese Struktur eine Funktion erfüllen muss, warum nicht z.B. Aufnahme von Feuchtigkeit. Eine Frage über die schon seit Jahrzehnten diskutiert wird. Leider ist mir bislang keine Untersuchung bekannt, in der mal eine quantitative Untersuchung erfolgt.
Eine viel wichtigere Funktion der Dornen sehe ich allerdings in der Tatsache, dass die Dornen wohl eine aktive Rolle bei der Kondensation und somit Tropfenbildung aus den Feuchtigkeitspartikeln des Küstennebels (Camanchaca) spielt. Betrachtet man die Pflanzen in den Morgenstunden während der Küstennebel landeinwärts zieht, fällt auf, dass diese Wassertropfen aufweisen, die dann langsam von den Dornen über die Epidermis des Körpers zu den Wurzeln ziehen, die auffallend oberflächlich verlaufen.
Das ganze erinnert mich an die s.g. "Atrapa nieblas" (Nebelfänger) mit denen erstaunliche Mengen Wasser für den menschlichen Verbrauch an der Küste im Norden Chiles gewonnen werden. Ich stelle mal einen link ein um die ganze Sache etwas anschaulicher zu gestalten.
http://www.nasm.si.edu/ceps/drylands/dl_images/camannet2.gif
Olaf usm Seyerland
04.04.2009, 03:58
Also Fangfläche, Dachrinne und Sammelbehälter. Simpel und wirtschaftlich. Genau nach meinem Geschmack.
Kleiner Hardy, ... Es fehlte mir schlicht an Vorstellungsvermögen, dass die Spinae wirklich saugen können, wo sie doch so fest sind.
eine wasserleitung ist auch fest und trotzdem geht wasser durch! ;-);-);-):):grin::grin: (mein gott, bin ich heute wieder albern :o )
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