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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : winterhart, frosthart, frostverträglich



komtom
27.12.2008, 11:38
Hallo alle miteinander,

dieses Thema wurde ja im Kakteenforum bereits mehrmals angeschnitten jedoch noch nicht (soweit ich es gesehen habe) im Zusammenhang.

Definition winterhart; ganz klar, das sind Pflanzen welche in unserem Klima ohne jeden Schutz vor Regen bzw. Schnee nicht nur überleben sondern auch gut gedeihen. Dazu gehören z. B. viele Opuntien aus den USA. Das sie auf mineralischen gut durchlässigen Boden und möglichst sonnig stehen, versteht sich von selbst. Sie richten sich auf den bevorstehenden Frost ein, in dem sie ihren Zellsaft verdicken können, obwohl sie mit ihren Wurzeln in feuchten Substrat stehen.

Definition frosthart; das sind nach meinem Dafürhalten, Pflanzen welche Frost vertragen, wenn sie gut trocken stehen. Halt.... jetzt kommt es: Diese Pflanzen vertragen es auch, ohne Schaden zu nehmen, wenn in Ihrem Körper Eiskristalle entstehen, mit anderen Worten sie gefrieren.
Dies bedeutet aber nicht unbedingt, das sie nun grenzenlos jeden Frostgrad vertragen. Um ein Beispiel zu nennen, verträg Thelocactus bicolor v. heterochromus -8° bei gefrorenem Körper ist aber bei -20°C sicher nicht mehr zu retten. Während Echinocereus triglochidiatus ebenfalls bei -8°C steiffgefroren ist, aber auch Temperaturen weit unter -20°C überlebt.
Dies liegt möglicherweise daran, das bei Temperaturen unter null Grad Celsius zunächst nur ein Teil des in den Zellen vorhandenen Wassers Eiskristalle bildet und ein Rest der Zellflüssigkeit dadurch immer stärker "eingedickt" wird. Damit meine ich, der noch flüssige Teil enthält in immer höherer Konzentrationen Zucker bzw. Mineralsalze welche ein weiteres Einfrieren verhindert und vielleicht dafür sorgt daß die entstehenden Eiskristalle die Zellwand nicht schädigen. Zu diesem Typ gehören neben sehr vielen Echinocereen, Escobarien, Pediocacteen, Sclerocacteen auch diverse Vertreter der Gattungen Mamillaria, Hamatocactus, Thelocactus und vielleicht auch andere Nordamerikanische Gattungen.

Nun zur dritten Gruppe, den frostverträglichen Kakteen; zu diesen zähle ich all jene Pflanzen welche durchaus strarke Fröste vertragen aber ein gefrieren ihres Kakteenkörpers nicht überleben. Dazu zähle ich viele Südamerikanische Kakteen wie z. B. Lobivien, Gymoncalycium, Notocactus, Tephrocactus, Matucania, und Oreocereus. Auch einige Mexikaner zählen dazu so z. B. Astrophytum capricorne und seine Varianten, einige Ferocacteen, Echinocacteen, Gymnocactus u. v. a.

Pflanzen aus diesen Gattungen sind duchaus in der Lage über einen kurzen Zeitraum, Temperaturen bis zu -12° Grad Celsius wegzustecken, gehen die Temperaturen jedoch sehr tief in den Keller oder gibt es Dauerfrost der dazu führt dass sie dennoch einfrieren, überleben sie dies meist nicht.
Um dies an einem (extremen) Beispiel zu beschreiben nenne ich Chamaecereus silvestrii, welchen ich vor vielen Jahren einige Winter durchgebracht hatte. Ich beobachtete damals das diese kleinen Pflanzen auch bei -18°C immer weich und elastisch waren, die Körper hatten dabei eine dunkelrote Farbe angenommen. Er besaß also ein wirklich wirkungsvolles Frostschutzmittel. Einen Winter jedoch, es war eigentlich gar nicht so kalt (um die -10°C), nach einigen Tagen Dauerfrost, waren die Sprosse alle steiffgefroren und in der nächsten Wärmeperiode war er dann Matsch.

Es gibt nur wenige Südamerikanische Arten welche auch als frosthart gelten können, aber aus eigener Erfahrung kann ich das nur für Tephrocactus darwinii und seine Formen bestätigen. Die von mir ebenfalls getesteten Gymnocalycium chubutense, gibbosum, bruchii und calochlorum litten sehr unter starkem Frost und überlebten dies auf Dauer nicht. Um euch zu beruhigen, die es überlebt haben kultiviere ich wie meine nicht frostharten Kakteen weiter. Es sind also nicht alle Pflanzen diesen Versuchen zum Opfer gefallen.

Mich würden nun eure Erfahrungen interessieren, ich weiss es ist bereits viel darüber geschrieben worden, aber mit diesem Thema möche ich diese Erfahrungen etwas zusammenfassen.

Also bis bald und Grüsse

komtom

Marc
27.12.2008, 12:41
Hallo Komtom,

meiner Erfahrung nach, spielt die Luftfeuchte ebenso eine wichtige Rolle. Diese hast Du aber weitesgehend vernachlässigt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch viele Südamerikanische Arten deftigen Frost abkönnen, dabei aber absolut keine Toleranz gegenüber Luftfeuchte haben. Da wir in diesen Breitengraden recht feuchte Winter haben, dürfte sich daraus höchstens eine hohe Frosttoleranz im Zusammenhang mit einer Klimaanlage ergeben, vermute ich mal.

Gruss,
Marc.

komtom
27.12.2008, 18:12
Hallo Marc,

ich kann mir nicht erklären wie die Luftfeuchtigkeit eine Rolle spielen soll, welchen Einfluss kann sie auf die Pflanzen haben, denn jenen das eben manche Kakteen über ihre Dornen Kondenswasser aufnehmen können.

Schädlich wird eine hohe Luftfeuchtigkeit eher im Zusammenhang mit hoher Wärme. Wenn ich z. B. Lobivien oder andere Hochgebirgskakteen in einem eher tropischen Klima kultivieren möchte. Seit ich mich mit diesem Thema beschäftige habe ich nur einen Fall von Pflanzenverlust erlebt bei dem die Luftfeuchte eine Rolle gespielt haben könnte. Dies war ein Sclerocactus dessen Epidermis vollständig von einem Pilz befallen wurde, er hielt noch eine Weile durch, erholte sich davon aber nicht mehr. Das ganze geschah inmitten des Sommers während einiger schwülwarmer Tage. Ansonsten ist Luftfeuchtigkeit meiner Meinung nach nur für das vergrauen (Pilzbefall) der Dornen verantwortlich. Zudem wenn es bei uns kalt wird geht mit der Temperatur auch die Luftfeuchtigkeit zurück. Klar gibt es bei uns ein Schmuddelwetter welches wir in den Anden sicher so nicht erleben können.

Ich denke das man den Faktor Luftfeuchte eher vernachlässigen kann.

Lobivien, Tephrocacteen, Matucania u. a. Kakteen aus dem Hochgebirge sind sicher in der Lage in ihrer Heimat noch sehr viel stärkeren Frost zu ertragen, wobei mit Sicherheit auch die Bodentemperatur welche über die Nachtstunden nicht so stark abfällt, eine gewichtige Rolle spielt. Aber ganz entscheidend ist, am nächsten Morgen gehen die Temperaturen wieder über die 0°C Grenze. Es ist also eine von der Pflanzenphysiologie her gesehen bessere Strategie "nur ein gutes Frostschutzmittel" in den Zellen zu haben welches ein Gefrieren des Zelleninhaltes verhindert. Deshalb ist es nicht notwendig dafür zu sorgen die Zellen bei Eisbildung zu schützen. Der Vorteil liegt auf der Hand, die Pflanze kann am nächsten Morgen sofort wieder ihren Stoffwechsel hochfahren, ohne Energie für die "Auftauphase" zu verbrauchen. Ausserdem ist ein Gefrieren und Auftauen des Pflanzenkörpers in jedem Fall Stress und dies müssten sie in den Anden sicher viele Male im Jahr durchmachen.

Nun nachweisen kann ich das nicht, ich denke mir eben das es so ist weil ich die Erfahrung machte das eben diese Südamerikaner, egal wie schrumpelig und rot sie waren kein Gefrieren ihres Pflanzenkörpers vertragen konnten.

Anders ist dies bei Kakteen welche aus Gebieten kommen in denen winterlicher Frost und eben auch Dauerfrost möglich ist.

Ach ja um darauf einzugehen Marc, du sprichst von deinen Erfahrungen mit der Luftfeuchtigkeit, ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

Wie machen sich bei dir die negativen Auswirkungen hoher Luftfeuchtigkeit bemerkbar.

Also bis bald und Grüsse

Marc
27.12.2008, 18:37
Hi!

Wie sich das bemerkbar macht? Die Pflanze geht ein...
Dabei hatte ich zwei verschiedene Arten, einmal die Spitze ist weggefault und (häufiger) war es die Basis.

Besonders gerne gehen die Pflanzen dann im Frühjahr ein, wenn es etwas wärmer wird und regnet oder stark neblig ist. Vorher im Winter wurde Dauerfrost problemlos überstanden. Substrat war und ist Trocken, die Kakteen standen zudem noch vor Regen geschützt.
Das konnte ich nun schon ein paar mal beobachten. Unter den "Opfern" waren überwiegend Echinocereen.

Ich habe keine Erklärung, warum die Luftfeuchte so gefährlich sein soll, ich müsste nur mutmassen. Evtl. gibt es ja auch einen anderen Grund für meine Beobachtungen, der sich mir noch nicht erschliesst...

Gruss,
Marc.

komtom
27.12.2008, 20:41
Hallo Marc,

nun das, wie du es mir beschreibst, ist mir bekannt, jedoch ist mir dies bisher nicht speziell an frostharten Pflanzen aufgefallen. Möglicherweise ist daran doch die Luftfeuchte schuld, welche die Pilze auf dem Pflanzenkörper fördert, die dann durch alte Blütennarben oder einfach durch eine Areole in die Pflanze eindringen.

Aber das hat nicht unbedingt etwas mit der Frosthärte zu tun, ausserdem denke ich, haben wir durchaus (Lausanne-Schweiz / Nabburg-Nordbayern) unterschiedliches Klima.

also bis bald und Grüsse

komtom

Marc
27.12.2008, 20:58
Hi!

Meine winterharten Kakteen stehen alle noch in Berlin :)

Gruss,
Marc.

Achims
27.12.2008, 21:50
Hallo Feunde der Winterharten !
Wie schon einmal geschrieben von mir,sollte man alle Winterharten oder
Frostharten in unseren Regionen einen Regenschutz verpassen,egal in welcher
Gegend in der BRD Ihr lebt.Die Luftfeuchtigkeit ist da zu beobachten.Sie sollte um
40 % liegen,aber wo ist sie das im FREIEN bei uns möglich??.Ausgenommen einige
Opuntienarten,die als so gekeennzeicht sind beim Kauf.
Gruß Achims:p:p

OPUNTIO
28.12.2008, 18:50
Hallo zusammen!
Zu dem Thema hab ich ja auch schon einiges beigetragen, was ich hier gar nicht alles wiederholen kann oder will! Aber über einen Aspekt haben wir meines Wissens noch nirgends diskutiert.
WIE BEACHTENSWERT IST EIGENTLICH DER FAKTOR WIND?
Steht ein Kaktus im Winter windgeschützt im Freien, bekommt er trotzdem die volle Luftfeuchte ab. Beispiel: Nachts Minusgrade, morgens um die Null Grad. Kaktus noch gefroren, Wasser kondensiert an den Dornen, Areolen saugen sich voll, und im Extremfall läuft es am Körper runter ins Substrat, das bis zum Abend garantiert nicht mehr abtrocknet. Wenn sich das einige Tage wiederholt, ist um den Wurzelhals alles nass.

Steht die Pflanze jedoch zugiger, entsteht zwar eine höhere Verdunstungskälte, aber sie trocknet zügiger ab. Dies gilt für Pflanzen sowohl mit, als auch ohne Regenschutz

Wer weiss etwas über die winterlichen Windverhältnisse an den Standorten?

Gruß Stefan

Uwe/Eschlikon
05.01.2009, 10:38
Hallo

Mich nach dem Weihnachtsurlaub auch wieder einmal zu Wort melde...

Zur Ausgangsbemerkung:
Ich persönlich teile die "frostverträglichen" Sukkulenten ebenfalls in die Gruppen
- winterhart (ohne jeglichen Schutz draussen zu kultivieren)
- frosthart (nur mit Schutzmassnahmen zu kultivieren)
- und frosttolerant (erträgt wohl Fröste, aber nicht dauerhaft draussen zu kultivieren, daher = Topfpflanze) ein.

Nur mir persönlich gefällt das Wort "frosttolerant" besser, aber das ist Ansichtssache ;)

Meine eigenen Sukkulenten, die ich kultiviere oder von denen ich weiss, dass ich sie kultivieren kann, gebe ich zur obigen Einteilung noch ein + oder - dazu, sodass ich 6 Gruppen erhalte. Die Übergänge sind aber bei jeder Art fliessend.


Temperatur, Wind, Luftfeuchte, Niederschlagsmenge und Sonneneinstrahlung ergeben das Mikroklima.
Diese Parameter sind in einem komplexen Wechselspiel verknüpft und sind an jedem Standort individuell.
Wind ist sicher von Vorteil von Frühling bis Herbst, da er abtrocknend wirkt. Im Winter bei Temperaturen unter 0° würde ich den Wind eher als schlecht ansehen (Wind-Chill), da er eine vorhandene Bodenwärme- oder Mauerwärme-Abstrahlung wegträgt.
Hohe Luftfeuchte hat nur bei positiven Temperaturen einen schlechten Einfluss auf die Sukkulenten, da sie Fäulniserreger und Pilzwachstum fördert und im Herbst die Wasserreduktion im Pflanzenkörper verzögert. Jetzt im Winter bei negativen Temperaturen spielt die Luftfeuchte keine Rolle.

Aber wie gesagt, das Wechselspiel ist zu komplex, als das man einzelene Faktoren positiv oder negativ hervorheben kann. Ok, wer viel NS hat, eine dauerhaft hohe Luftfeuchte hat, wenig Sonne abbekommt und zudem in einer (flachen) Senke wohnt, hat sicher mehr Nachteile, als bei Hanglage gegen Süden mit trocknerem und windigem Klima. Ersterer braucht eben eine Abdeckung mehr ;)

Grüsse ins neue Jahr
Uwe

OPUNTIO
06.01.2009, 18:51
Da es bei mir heute Nacht deutlich unter -10° kriegen soll, ( -18° sind gemeldet) habe ich einige Kakteen, die bis jetzt auf dem Balkon standen in den Keller verräumt. Aufgrund meiner Versuche aus den vergangenen Wintern wusste ich ja wann es für welches Exemplar kritisch wird.
Dabei entdeckte ich das Opuntia chaffeyi, die als frostsicher bis-10° gilt, deutliche Frostschäden an den Triebspitzen hat. Nun, diese Pflanze hatte ich den ersten Winter draussen! Nächsten Winter werde ich sie schützen, oder eher reinholen.
Was Komtom bezüglich des Durchfrierens schreibt, kann ich grösstenteils bestätigen. Alle wirklich Winterfesten sind knüppelhart gefroren. Die E. scheeri, subinermis, ortegae und pectinatus waren es nicht, haben aber trotzdem keinerlei Schaden davongetragen. Bei E. subinermis ist letzten Winter bei -12° ein kleiner Teil der Epidermis oberhalb des Wurzelhalses erfroren. Die Pflanze war an dieser Stelle hartgefroren, der Rest noch weich. Der erfrorene Teil wurde im Frühling von der Pflanze selbstätig abgekapselt und trocknete ein. E. subinermis hält offiziell auch nur -3° aus.
Von C.sylvestrii hab ich zwei harte Exemplare. Einen extrem schrumpfenden rotblühenden, der bis jetzt jedem Winter getrotzt hat, und einen nicht ganz so harten, weniger stark schrumpfenden Weissblühenden. Samen aus einer Kreuzung von beiden werde ich im Frühjahr aussäen.
Ein drittes Exemplar, das sich den ersten Winter draussen befindet, und sich bis jetzt ganz gut schlägt, ist eine Hybride zwischen Chamaeocereus sylvestrii und Lobivia arachnacantha. Liegt vom Schrumpfungsgrad etwa auf dem Niveau des Weissblühenden.
Alle drei sind auch bei den jetztigen Minusgraden noch weich!
Und jetzt kommt ein Kuriosum!!!
Im Sommer habe ich einen kleinen Ableger der gelben, chlorophyllfreien, Farbvariante von C.sylvestrii auf einen absolut winterfesten Steckling einer O.fragilis Hybride gepfropft.
Die beiden sind gut zusammengewachsen und als die Unterlage zu schrumpfen begann wurde auch der Pfröpfling kleiner. Meine Befürchtung, das der aufgesetzte Teil bei der Dehydrierung abgestossen wird erwies sich als falsch!
Die Unterlage ist jetzt hart durchgefroren wie es sich gehört. Und der C. sylvestrii obendrauf genauso! Nun bin ich sehr, sehr neugierig , denn wenn es wieder wärmer wird, sehe ich ob er erfroren ist, oder evtl. den Zellsaft, sage ich mal, der Unterlage übernommen hat. Wenn das klappt, versuche ich kommenden Sommer den extremen Gegensatz zu vereinen indem ich Austrocylindropuntia subulata monstruosa auf Cylindropuntia imbricata setze und schaue, was die beiden zusammen im Winter so machen.
Auch O.monacantha auf O.humifusa werde ich versuchen.
Gruß Stefan