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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum gibt es in der Natur, so gut wie keine Hybriden?



hartikos
18.07.2018, 13:51
Hallo,
diese Frage quält mich schon sehr lange. Es wachsen an einem Fundort ja nicht unbedingt nur eine Art oder auch Gattung. Deshalb müsste es doch an einem Fundort eigentlich sehr viele verschiedene Arten einer Gattung geben oder liege ich da falsch? Nach meiner Ansicht mache ich beim Kreuzen von verschiedenen Arten auch nichts anderes als Mutter Natur. Selbst beim Bestäuben durch Tiere in Mutter Natur, von Kakteen der gleichen Art, müssten doch neue Arten hervorkommen oder warum sind diese in Habitus und Blüte gleich? Auch gattungsübergreifende Kreuzungen müssten doch in Mutter Natur auch möglich sein?
Nach meiner Ansicht müssten an einem Fundort sehr viele verschieden Arten und Gattungen vorkommen, da diese miteinander bestäubt werden.

Wer kann mir dies einmal vernünftig erklären?

Herzlichen Dank

GNiklasch
18.07.2018, 15:00
Hybriden kommen durchaus vor, und manche heute bekannten separaten Arten könnten durchaus vor langer Zeit durch natürliche Kreuzung entstanden sein. (Was nicht immer leicht nachzuweisen ist - Kakteen hinterlassen ja keine Fossilien, und Genanalysen beschränken sich oft auf die DNA der Chloroplasten und Mitochondrien, die nur über die weibliche Linie weitergegeben werden. Unter anderem vermuten einige Forscher, dass Echinocactus grusonii eine stabilisierte Naturhybride sei, mütterlicherseits am nächsten mit Ferocactus glaucescens und F. histrix verwandt - nach dem Vater wird noch gefahndet.)

Aber neue Arten entstehen nicht dadurch, dass sich in einer Population der Genpool ständig durchmischt, unter gelegentlichen Mutationen - das führt höchstens zu einer Art mit beträchtlicher Variabilität, solange die Nachkommen untereinander fruchtbar bleiben und der Selektionsdruck nicht die meisten Varianten wieder aussondert. Neue Arten entstehen dann, wenn zwei Populationen getrennte Wege gehen und aufhören, miteinander Gene auszutauschen, und dann unterschiedlichen Selektionsfaktoren ausgesetzt sind. Das kann z.B. passieren, wenn ein zuvor größeres zusammenhängendes Vorkommen durch neue äußere Einflüsse in zwei oder mehr räumlich getrennte Teile zerfällt.

Mehr dazu auf Wikipedia: Artbildung (https://de.wikipedia.org/wiki/Artbildung).

Ist das halbwegs verständlich? Vielleicht könnten andere Forumsteilnehmer noch einschlägige Standort-Bilder beisteuern!

Viele Grüße,
Gerhard

Pantalaimon
19.07.2018, 17:00
Hi,

ein sehr umfangreiches Thema ... Nun, ich kann Gerhard nur zustimmen. Hinzufügen möchte ich, dass es durchaus vorkommt, dass an einem Standort zwei verschiedene Arten einer Gattung vorkommen, aber keine Hybriden zwischen den beiden. Ursache hierfür sind sogenannte Reproduktionssperren - d. h. irgendetwas, was dazu führt, dass sich die beiden Arten nicht miteinander kreuzen. Mögliche Reproduktionssperren können verschiedenster Natur sein. Hier ein paar Beispiele: So kann es sein, dass die männlichen (Pollen) und weiblichen (Narbe + Fruchtknoten) Organe z. B. wegen ihres Baus nicht kompatibel sind und es daher zu keiner Befruchtung kommt. Die Arten können unterschiedliche Blühzeiten haben (z.B. die eine im Frühjahr, die andere im Sommer). Oder unterschiedliche Bestäuber (wobei das bei zwei Arten einer Gattung eher selten vorkommen dürfte). Zudem spielt (bzgl. der DNA der beiden Arten) die Ploidie-Stufe eine Rolle: Ist eine der Arten diploid (d.h. sie hat einen doppelten Chromosomensatz) und die andere Art ist tetraploid (d.h. sie hat einen vierfachen Chromosomensatz), dann entsteht bei der Befruchtung ein dreifacher Chromosomensatz (triploid) und oft funktioniert dieser nicht so richtig gut - sprich: oft keimen die Samen nicht oder sie keimen schlecht und die Sämlinge haben deutliche Defekte (z.B. kommt es vor, dass sie nicht in der Lage sind, Chlorophyll auszubilden) und sind daher nicht dauerhaft überlebensfähig (und sterben daher bald) (einige wenige Ausnahmen bestätigen die Regel: es gibt tatsächlich vereinzelt triploide Hybriden in der Natur, z.B. in der Gattung Echinocereus).

Generell gilt: Arten einer Gattung sind eher näher miteinander verwandt und bilden daher eher Hybriden als Arten zweier verschiedener Gattungen. Allerdings gibt es auch Beispiele für sog. Gattungshybriden (Hybriden zwischen zwei Arten verschiedener Gattungen) in der Natur. So gibt es im nordwestlichen Argentinien (östlich von Yavi) einen Standort, wo sich Hybriden zwischen Oreocereus celsianus (ein Säulenkaktus, der eher von Kolibris bestäubt wird) und Lobivia ferox (ein Kugelkaktus, der eher von Insekten bestäubt wird) finden.

Viele Grüße!
Chris

matucana
20.07.2018, 12:13
Hi,

es gibt durchaus Hybriden in der Natur. Hier in Deutschland gibt es z.B. zwei riesige Artenschwärme mit allen möglichen Übergängen (=Hybriden), die für den Nicht-Spezialisten unbestimmbar sind, nämlich die Weiden und die Brombeeren.

Dann als weiteres Beispiel die Malawi-Buntbarsche, aber da kenne ich mich nicht so aus.

Vielleicht ganz interessant ist noch Phalaenopsis × intermedia, eine in freier Wildbahn vorkommende Hybride aus Phal. equestris und Phal. aphrodite. Die ist mittlerweile als Population so stabil, dass manche Autoren der Ansicht sind, dass es bereits eine eigene Art ist.