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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Über die Nässetoleranz und Härte einiger Opuntien



Uwe/Eschlikon
09.04.2008, 13:53
Hallo an alle Fans von winterharten Kakteen

Die Themen "Winterhärte","Nässetoleranz" und "Regendach" tauchen immer wieder im Zusammenhang mit den Opuntien in diversen Threads auf.

Hierzu ein paar Gedanken, Anregungen und Erfahrungen, welche ich in all den Jahren (etwa 15) mit meinen Opuntien gemacht habe.

Als Basis kann man pauschal einmal folgende Formel anwenden, was die Winterhärte von Opuntien angeht:

- Je kleintriebiger eine Art ist, desto härter ist sie, und umgekehrt, je grosstriebiger, desto weniger hart ist sie
- Je flachwachsender eine Art, desto härter ist sie, und umgekehrt, je aufrechter der Wuchs, desto weniger hart ist sie
- Je mehr eine Art schrumpft (dehydriert), desto härter ist, und umgekehrt, je weniger sie schrumpft, desto weniger hart ist sie
- Je stärker eine Art bedornt ist und je länger die Dornen sind, desto weniger hart ist sie, und umgekehrt, je weniger Dornen und je kürzer diese sind, desto härter ist eine Art

Mit diesen Grundregeln kann man zu 80-90% eine Opuntie bezügl. ihrer Wintertauglichkeit einordnen. Aber bekanntlich gibt es Ausnahmen;)

Ich hab zB. eine Opuntie, deren Namen ich nicht einmal weiss (da ich einmal eine Samenmischung aus der Sukkulentensammlung Zürich bekam). Sie bringt ziemlich grosse (15-20cm), sattgrüne, runde, aufrecht wachsende Triebe hervor, die überhaupt nicht schrumpfen. Trotzdem steht das Teil seit 3 Jahren im Sukkulentengarten ohne Regenschutz und gedeiht prächtig, nur geblüht hat sie noch nie.

Opuntia cymochila (häufig falsch als O.macrorhiza "Apricot" im Umlauf) bringt auch grosse Triebe hervor, ist aber eine der härtesten und schönsten Opuntien, die ich kenne. Doch sie schrumpft stark und legt sich zum "Winterschlaf" nieder.

Opuntia engelmannii ist zB. eine Art, die schlecht schrumpft, mag keine Winternässe, wächst aufrecht und bringt sehr grosse Triebe hervor. Sie toleriert trocken aber dennoch Frost von -15 bis -20°C. O.engelmannii geht mit O.lindheimeri eine lückenlose Mischreihe ein, somit kann eine Bestimmung manchmal unmöglich sein. O.lindheimeri ist dafür etwas toleranter.

Viele O.polyacantha-Hybriden (zb. die div. hystricina-Züchtungen) sind bei uns völlig frosthart, bis -20 ° oder darunter, sind aber durch die Selektion besonders schöner Blüten oder Dornen sehr nässeempfindlich. Zwischen dem dichten Dornenkleid (oder fast Haarkleid) hält sich die Feuchte besonders gut und bei mildem Wetter ist das eine gute Brutstätte für allerei Krankheitserreger.

Opuntia phaeacantha schrumpft manchmal auch nur schlecht und ist sehr variabel in der Nässetoleranz. Viele als O.phaeacantha im Handel erhältliche Arten sind gar keine, sondern in Wahrheit O.mackensenii, O.gilvescens, O.dulcis, O.woodsii oder O.camanchica. Gerade O.woodsii wäre eine Superart für unser Klima, blüht fast nur orange bis rot und ist sehr tolerant. All diese Arten werden leider oft als O.phaeacantha zusammen gefasst, dabei sind sie teils ganz unterschiedliche Arten.

Unter Opuntia macrocentra (=O.violacea) wird oft ein ganzen Komplex an Arten angeboten. Diese Art bildet eine Mischreihe mit O.azurea und kommt nur in den südl. Gebieten der US-Bundesstaaten Texas, Arizona und New Mexiko vor, was bedeutet, dass sie a) keine Nässe tolerieren und b) auch keine allzu grosse Kälte (bei unter -15° wäre ich schon vorsichtig). Was hierzulande alles als O.macrocentra verkauft wird, sind oft Zucht-Hybriden mit anderen Arten, womit dann einige auch härter sind.

Opuntia basilaris bringt wohl am meisten Verwirrung mit sich.
1. es gibt keine gelb blühenden Basilaris-Arten, auch keine Varianten. Alle blühen rosa bis lila, ganz, ganz selten weiss
2. sind reine basilaris-Arten sehr feuchteempfindlich
Es gibt einige kleintriebigere Varianten von O.basilaris, die aber sehr eng begrenzt vorkommen und wenig erforscht sind. Auch sie blühen alle rosa.
Verwechselt wird O.basilaris vor allem mit O.aurea, von der in Europa hauptsächlich dornenlose im Umlauf sind (als O.basilaris "nana"), meist gelbblühend, und sehr hart! Dabei kommt O.aurea nur in einem kleinen Gebiet an der Grenze Utah-Arizona vor. O.aurea ist dort häufig bedornt, auch rosa blühend und mischt sich gern mit O.polyacantha. Ein findiger Sammler hat also diese Art falsch interpretiert und als gelb blühende, harte O.basilaris-Art in Europa "verteilt" ;)

Ein paar Worte noch zu unserem Klima:
Zu milde und wechselhafte Winter, wie es die beiden letzten gewesen sind (2006/07 und 2007/08) mögen manchmal die ganz harten wie O.fragilis, O X "Smithwick", O.aurea, O.humifusa, O.polyacantha var. polyacantha, O.rutila u.a. auch nicht immer. Diese Winter sind gut für all diejenigen Arten, die man unter einem Regendach hat und die trotz Trockenheit keine strengen Fröste mögen, wie O. valida, O.chlorotica, O.santa-rita oder für gewisse Cylindropuntien. Am besten für viele Opuntien wären Dauerfrostwinter von November bis Februar mit einer andauernden Schneebedeckung, und nicht diese nervige Wechselhaftigkeit.

Ein Regendach hat viele Vorteile, aber auch Nachteile. Nachteile sind zb.
- fehlende isolierende Schneebedeckung bei strengem Frost.
- ohne Schneebedeckung wird die Blütenbildung gehemmt, was gerade bei blühfaulen fragilis-Arten von Bedeutung ist.
- UV-Strahlung wird zurückgehalten, was aber ab mitte Oktober nicht mehr so ins Gewicht fällt

Dieser Winter war mein 1.Winter mit einem teilweisen Regendach, etwa 20% von den rund 60-70m2.

Gruss, Uwe

Olaf usm Seyerland
11.04.2008, 04:18
"- ohne Schneebedeckung wird die Blütenbildung gehemmt, was gerade bei blühfaulen fragilis-Arten von Bedeutung ist."

Seltsam, in der Literatur steht es genau anders herum: Dass der Schnee zu viel Sonne abschirme, welche für eine reiche Blüte sorge. Wat stimmt nu?

Uwe/Eschlikon
11.04.2008, 08:01
Hallo Olaf

Geh mal an die Naturstandorte von Opuntia fragilis oder polyacantha...da liegt der Schnee manchmal 5 Monate am Stück meterhoch...und die blühen im Frühjahr prächtig ;)

Uwe

Hans Graf
13.04.2008, 19:25
Meine Erfahrung mit der Blütenbildung bei fragilis ist, das sie im Frühjahr genügend Freuchtigkeit brauchen, was mit der Aussage von Uwe übereinstimmt. Der Schnee der schmilzt bringt genügend Feuchtigkeit allerdings gibt es Wildformen die so gut blühen aber auch ein paar die einfach keine oder kaum Blüten bringen.

Die Aussagen von Uwe kann ich alle bestätigen, nur habe ich ein weitere Erfahrung gemacht. Je weiter der Heimat-Standort im Süden ist um so empfindlicher sind die Pflanzen gegen lange Dauerfröste (4Wochen und mehr wo die Temperatur tagsüber nicht über 0°C geht) z.B. Opuntia pottsii DJF1447 Albuquerque diese Pflanze hat bei mir auch schon bis -25°C ausgehalten und in Wintern wo die Temperatur nicht unter-15°C war, aber ca.4 Wochen oder mehr Dauerfrost gab, haben die Pflanzen starke Probleme und hierfür gäbe es noch viele Beispiele, wobei auch noch andere Faktoren mitwirken können.

Olaf usm Seyerland
13.04.2008, 22:57
Klingt nach Trockenheit im Wurzelbereich, weil das Wasser gebunden ist.

stekel
15.04.2008, 01:03
Nim mal einer Gymnocalycium die oder das wachsen und bluhen jedes jahr
und kunnen mehr frost haben und feuchtigheid dan angegeben
http://han-vandijk.magix.net (http://han-vandijk.magix.net/)

Olaf usm Seyerland
15.04.2008, 01:51
Moooooije Bilderen!

Ik hef Gymnocalycium chubutense in Regen staan. Good harde Plantje!

Uwe/Eschlikon
15.04.2008, 08:09
Hallo Olaf


Klingt nach Trockenheit im Wurzelbereich, weil das Wasser gebunden ist.

Nein, das ist kein Problem. Im Gegenteil: Kakteen in Töpfen überwintere ich knochentrocken bis in die unterste Wurzelspitze. Umso trockener das Substrat, umso besser übersteht eine Art auch tiefe Temperaturen! Grusonia (Micropuntia) pulchella übersteht "ausgetrocknet" sogar unter -40°C.

Für südliche Arten (zB. aus Texas, New Mexico, Arizona) mache ich hauptsächlich diesen Umstand verantwortlich, dass sie in unserem Klima auch trocken nicht jeden Winter überstehen:

- Besonnung/UV-Licht und niedere Luftfeuchte: Im Spätsommer/Herbst, wenn die Triebe "auszureifen" beginnen und die Nächte kälter werden, scheint im Süden der USA praktisch uneingeschränkt die Sonne. Damit kann genügend Glukose (Zucker) eingelagert werden. Dazu gibt es sehr interessante wissenschaftliche Untersuchungen an verschiedenen Opuntien (u.a. an O. ficus indica und O. x ellisiana wegen dem Anpflanzen für die Fruchtgewinnung in Texas).
Die Nächte im Süden der USA können im Herbst/Winter sehr kalt sein, bis unter -20°C in erhöhten Lagen, das aber bei einer Luftfeuchte von unter 10%. Und tagsüber wird die Luft meist von der Sonne bis über 0°C erwärmt.
Ganz im Gegensatz zu unserem Herbst/Winter! Der ist viel zu sonnenarm und die UV-Menge ist zu klein. Der Begriff "Rebbauklima" zeigt diese Paralelle gut auf ;)

Grüsse, Uwe

Olaf usm Seyerland
17.04.2008, 01:37
An was könnte es denn dann liegen, dass Frost nur eine begrenzte Zeit vertragen wird?

Uwe/Eschlikon
17.04.2008, 08:11
Hallo Olaf

Ich könnte mir vorstellen, dass, wie übrigens bei vielen Pflanzenarten (nicht nur bei immergrünen!), die oberirdischen Pflanzenteile einiges mehr an Frost ertragen wie die unterirdischen (Wurzelhals/Wurzelsystem).

Bei immergrünen Blattpflanzen wie zB. Kirschlorbeer, Schneeball oder Hanfplame (Trachycarpus fortunei) bewirkt ein gefrorener Boden die sogenannte Frosttrocknis. Das gibt es bei Kakteen, Agaven und Mesembs meines Wissens nicht, dennoch reagieren bei vielen Arten die Wurzeln empfindlicher auf starke Kälte.

Und da es eine Zeit dauert, bis der anhaltende Frost tiefer und tiefer in den Boden dringt, kommen die Folgeschäden erst nach einer Weile.

Andere Meinungen oder Ideen?

Grüsse, Uwe