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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Besprühen von Kakteen



MarcoPe
07.03.2008, 21:47
Liebe Kakteenfreunde,

ich möchte euch einige Informationen zum Besprühen oder Nebeln von Kakteen geben! Ich habe euch diesen Text geschrieben, weil dies jetzt im Frühjahr für viele ein wichtiges Thema ist.

Man liest ja öfter, dass Kakteen an ihren natürlichen Standorten Tau abbekommen und sich zum Teil dadurch mit Wasser versorgen. Nun weiß nicht jeder, warum sich dort Tau bildet und wie die Kakteen ihn aufnehmen. Deshalb hier einige Informationen, um besser verstehen zu können, warum es gut ist, zum richtigen Zeitpunkt Kakteen zu besprühen.

Das kennt jeder
Tau bildet sich auch bei uns. Morgens sind Wiesen oft feucht, Autos sind nass, obwohl es nicht geregnet hat. Fensterscheiben beschlagen von innen (Altbau) oder außen (Neubau) und eine Flasche Limo, im Sommer aus dem Kühlschrank geholt und auf den Tisch gestellt, ist im Nu nass. Manchmal schimmelt eine Ecke oben an der Decke im Bad. Alle diese Erscheinungen entstehen durch Taubildung.

Luftfeuchte
Das Wasser dafür kommt allein aus der Luft. Es ist als relative oder absolute Luftfeuchte immer vorhanden, schlägt sich aber nur unter bestimmten Bedingungen nieder. Dafür muss man die relative Luftfeuchte verstehen (danach ist es nicht mehr so kompliziert).
Je wärmer Luft ist, desto mehr Wasser kann sie enthalten. Erwärmt sich Luft, wird sie relativ trockener und „saugt“ Wasser auf. Kühlt Luft ab, erreicht sie irgendwann den Punkt mit 100 % relativer Luftfeuchte. Sie kann das Wasser nicht mehr halten. Es entsteht nun Nebel.

Taubildung in der Natur
Bei Tau ist es etwas anders. Alle Körper, also auch Kakteen, verlieren ständig Wärme, die sie an die Umgebung abstrahlen. Besonders am frühen Morgen, bevor die Sonne aufgeht, kühlen dadurch Kakteen, Rasen, Autos mehr ab, als die Luft. Die Luft ist immer in Bewegung und streicht an den kalten Kakteen entlang. Dabei kühlt sie ab und hinterlässt das Wasser, welches sie nicht mehr halten kann, an der Pflanzenoberfläche. Am stärksten passiert das, bei unbedecktem, sternenklarem Himmel, weil die Wärmestrahlung dann ungehindert entweichen kann. Zum Vergleich: Autos in Carports bleiben oft noch trocken, wenn die Autos draußen schon nass sind; eine dünne Folie auf der Windschutzscheibe und schon friert sie nicht mehr ein.

Pflegehinweise
Auf eine sternenklare Nacht folgt ein sonniger Tag - meistens jedenfalls. Der Tau verschwindet und wir vergessen ihn schnell. Rosenbesitzer achten auf einen sonnigen und windigen Standort, weil sich sonst der Mehltau-Pilz ausbreitet, wenn der Tau nicht schnell wieder trocknet. Kakteen stehen in der Natur meist unter wolkenlosem Himmel und sind morgens richtig nass. In einer ansonsten trockenen Gegend wäre es ein Fehler, sich dieses Wasser nicht zu Nutze zu machen: Die Kakteen nehmen es auf. Es ist also sehr sinnvoll, bei schönem Wetter, die Kakteen morgens zu besprühen oder einzunebeln. Bevor die Sonne richtig brennt ist alles weg und kann keinen Schaden anrichten.

Wasseraufnahme durch die Pflanzenhaut
Noch ein bisschen Chemie? Wie kommt das Wasser in die Pflanze? Tau enthält keine Mineralien oder Salze. In der Pflanze befindet sich Wasser mit diesen Stoffen in hoher Konzentration, besonders nach einem heißen Tag, an dem Wasser verdunstet ist, oder nach „unserer“ Winterruhe. Nun hat Wasser die Eigenart, sich von alleine zu Salzen hin zu bewegen. Wasser wandert von einem Ort mit niedriger Konzentration zu einem Ort mit hoher Konzentration. Den Vorgang nennt man Osmose. Dabei durchdringt es die Oberhaut des Kaktus. Auch ohne Wasser im Boden wird der Kaktus wieder prall und rund, einige wenige empfindliche Arten können jetzt sogar aufplatzen (Ich habe dies bei einer Fotopräsentation eines Berliner Kakteenfreundes diese Woche sehen können). Der sehr erfahrene Sammler besprüht seine Pflanzen immer, wenn schönes Wetter in Aussicht ist, weil dies sehr natürlich ist. Die Bilder seiner Pflanzen waren sehr beeindruckend!

D. busch
09.03.2008, 11:57
Hey, echt super text! Um wie viel Uhr sollte man denn deiner Meinung nach morgens nebeln?

Das einzige wo ich nciht 100% mit einvestanden bin, ist die Sache mit dem Tau aufnehmen via Osmose. Aus welchem Buch hast du das? Weil in jedem Lehrbuch von mir steht drin, das Xerophyten eine eine besonders dicke aufgelagerte Cutin-Schicht (=Wachs) auf der Epidermis haben um sich vor Verdunstung zu schützen. Das impliziert aber laut Buch gleichzeitig, das von außen kein Wasser rein kann gerade wegen dieser Schicht.

Ich habe das was du sagst auch schon beobachtet, aber ich habe dieses Phänomen immer darauf geschoben das ein wenig Wasser runtergelaufen ist und den Boden berührt hat, weil es halt hostochemisch gesehen unmöglich ist.

Gruß Dominique

MarcoPe
09.03.2008, 17:21
Hi Dominique,

ist mal eine interessante Frage, ob die Cutinschicht auch die Wasseraufnahme verhindert. Weiß ich nicht, aber Verdunstung und Wasseraufnahme sind zwei unterschiedliche Vorgänge. Deshalb nehme ich an, dass dies kein Problem ist: also nicht gelesen.;)

Jeden ersten Dienstag im Monat treffen sich die Kakteenfreunde Berlin e.V. Beim letzten Treffen hielt Ronald Richert, ein Liebhaber mit sehr langer Erfahrung, einen Vortrag darüber, wie er Kakteen pflegt. Er sprüht so, dass das Wasser verdunstet ist, bevor seine Pflanzen die pralle Sonne abbekommen.

Ich sprühe, wenn Sonnenschein angekündigt ist, sehr früh, bevor ich zur Arbeit fahre.

Gruß Marco

Norsch
09.03.2008, 18:02
Hallo,

Die Cutinschicht stört nicht , weil ja Nachts die Spaltöffnungen der Epidermis offen sind zur Atmung. Da kann die Osmose ihr Werk tun. Wahrscheinlich erfolgt die Öffnung derselben ohnehin durch Quelleffekte bei höherer Luftfeuchtigkeit , das heißt besonders in ariden Gebieten Tags auf , nachts zu, aber bei Feuchtigkeit (Tau , Regen) auch bei Tage auf.
Ist zwar meine Theorie , aber ein Hygrometer funktioniert ja auch so.

Gruß Norbert

Bödsinn , sollte natürlich heißen ,Tags zu , Nachts offen!!

D. busch
10.03.2008, 14:16
Das ist wirklich mal ein sehr interessantes Thema. Also über eine Diffusionsvorgänge würde ich wirklich sagen geht es nciht wegen der Cutinschicht. Die Spaltöffnungen Sind ja normalerweise zum Gasaustausch da, aber bei "normalen" Pflanzen, also nicht Xerophyten werden diese geöffnet wenn in der Pflanze ein hoher Innendruck herscht, also viel Wasser vorhanden ist. Dann soll mehr verdunsten. Bein usereren Kakteen ist das ja anders, die CO2 Fixierung findet ja des Nachts statt. Ich schließe mich Norsch an, das es sein kann, dass früh morgens die Spaltöffnungen noch auf sind und dann Wasser aufgenommen wird. Bei geschlossenen Spaltöffnungen wage ich eine Wasseraufnahme allerdings stark zu bezweifeln! Immerhin verdunstet aus einem Kaktus 1000 mal weniger Wasser als aus einer PET Flasche (!!!!!!!)

MarcoPe
10.03.2008, 19:36
Bei geschlossenen Spaltöffnungen wage ich eine Wasseraufnahme allerdings stark zu bezweifeln! Immerhin verdunstet aus einem Kaktus 1000 mal weniger Wasser als aus einer PET Flasche (!!!!!!!)

Das klingt mir noch unwahrscheinlicher, als das Kakteen Wasser über die Außenhaut durch Osmose aufnehmen können! Meine Kakteen sind jetzt schrumpelig, wenn ich eine Flasche daneben hätte stehen lassen, wäre sie prall wie am ersten Tag...

Die Aufnahme erfolgt quasi molekülweise aber kein Mensch weiß ja bisher, wie genau die Wasseraufnahme stattfindet. Osmose ist nur ein Teil davon, den man sich gut erklären kann. Den genauen Vorgang behandelt man wie eine "blackbox": vorne ist was , hinten ist was und dazwischen passiert was, das keiner kennt. Die Biologen gehen davon aus, dass es sich zum Teil auch um einen aktiven Prozess handelt.

Nochmal zur Osmose:
In den Kakteen herrscht eine hohe Konzentration, draußen ist gar keine Konzentration, sondern nur Tau. Die Kraft dazwischen ist sicher sehr hoch.
Anders herum reißt tagsüber die trockene Luft am Wasser in den Pflanzen mit einer hohen Kraft. Jetzt kann wahrscheinlich niemand am Kaktus Kräfte messen. Aber Gedankenspiele machen:
Sollte der Aufnahmevorgang von der Pflanze aktiv unterstützt werden, gäbe das eine feine Möglichkeit. Wieso sollte er nur auf die Wurzelhaare beschränkt sein? Das wäre ja dumm von den Kakteen in den vielen Jahren da keine Möglichkeit gefunden zu haben ;-)

Gruß Marco

Achims
10.03.2008, 20:40
Hallo Marco !!
Super BEITRAG zum besprühen oder benebeln unserer Kakteen.
Mache ich auch so,und habe die besten Erfolge damit. Morgens frisch und
abends wieder abgetrocknet durch die Sonne,so wollen sie es haben und dann
jetzt noch die kühlen Nächte dazu das ist eswas sie jetzt mögen.
Achims

Pantalaimon
10.03.2008, 22:54
Heio,

ich vermute (Achtung, ist wirklich nur ne Vermutung!), dass die Wasseraufnahme bei manchen Arten auch über die Dornen erfolgen kann. Gerade bei manchen Ferocacteen und Gymnocalycien kann man beobachten, dass sich die Farbe der Dornen ändert wenn sie nass werden. Sie scheinen die Feuchtigkeit regelrecht "festzuhalten" (fast wie z.B. graue Tillandsien). Außerdem findet sich bei Augustin, Gertel et al. ("Sulcorebutia") der Hinweis, dass die Dornen mancher Sulcorebutia-Arten hohl sind. Es könnte also sein, dass die Dornen mancher Arten dazu in der Lage sind, Wasser "festzuhalten" und per Diffusion in das Innere des Dorns zu leiten, wo es sich sammelt und dann über die Areole dem Körper zugeführt wird.

Grüßle
~Pan

noisi
10.03.2008, 22:56
ich vermute (Achtung, ist wirklich nur ne Vermutung!), dass die Wasseraufnahme bei manchen Arten auch über die Dornen erfolgen kann.

Ja, dem ist auch so, sicher nicht bei absolut allen Arten, aber durchaus bei einigen, gelesen habe ich das auch schon mal irgendwo, aber eben auch selbst beobachtet.

Tatjana
11.03.2008, 07:45
Hallo zusammen,
hier ist eine super Erklärung (teilweise animiert) zum Thema "Wasserhaushalt bei Pflanzen". Die Besonderheiten bei Sukkulenten sind hier leider nicht betrachtet.
http://www.uni-duesseldorf.de/MathNat/Biologie/Didaktik/Wasserhaushalt/dateien/3_transp/1_nah/dateien/1_stoff.html

und hier ist ein Video über Spaltöffnung. Ich habe so verstanden, dass die Öffnung wird größer bei Zufuhr der Wassermolekülen

http://www.iwf.de/iwf/do/mkat/details.aspx?Signatur=C+2014

Lupus
11.03.2008, 11:41
Ja, dem ist auch so, sicher nicht bei absolut allen Arten, aber durchaus bei einigen, gelesen habe ich das auch schon mal irgendwo, aber eben auch selbst beobachtet.


Hallo,

ja ich hab das auch mal gelesen. Leider - wie so oft - weiss ich nicht mehr wo. Wenn ich mich richtig erinnere können einige Kakteen sogar Wasser aus der Luftfeuchtigkeit durch minimale elektrische Ladungen an den Dornen absorbieren. Das hört sich auch ganz logisch an, da Wasser ja ein überaus polares Molekül ist. Vielleicht finde ich da noch was genaueres.

Gruß,
Julian

Tatjana
20.04.2008, 17:26
Hallo,

ja ich hab das auch mal gelesen. Leider - wie so oft - weiss ich nicht mehr wo. Wenn ich mich richtig erinnere können einige Kakteen sogar Wasser aus der Luftfeuchtigkeit durch minimale elektrische Ladungen an den Dornen absorbieren. Das hört sich auch ganz logisch an, da Wasser ja ein überaus polares Molekül ist. Vielleicht finde ich da noch was genaueres.

Gruß,
Julian

Hallo zusammen,
es ist schon nicht mehr so aktuel, aber vielleicht immer noch für jemanden interesant.
Es gibt zwei Beiträge zum Thema.
Schill R and Barthlott W. (1973) Kakteendornen als wasserabsorbierende Organe. Die Naturwissenschaften
und
Porembski S. (1994) Opuntia invicta , eine nebelabsorbierende Cactaceae aus Baja California (Mexico). Beirtäge zur Biologie der Pflanzen
Es ist nur die Info. Ich habe die Beiträge nicht gelesen. Weiß jemand, wo ich sie finden kann?

Gruß
Tatjana

JimmyJonnson
10.06.2008, 15:28
Ich hab hier mal ein Bild gefunden, was eine eingesenkte Spaltöffnung zeigt, wie sie bei solchen sukkulenten Pflanzen vorkommt.
http://www.bildercache.de/thumbnail/20080610-151749-532.png (http://www.bildercache.de/anzeige/20080610-151749-532.png)
"C" ist dabei die Wachsschicht (Cuticula) gegen Verdunstung. E Markiert die Epidermis (oben besonders dick wegen Sonne), P ist das Pallisaden- bzw. das Schwammgewebe zur Wasserspeicherung mit den interzellularen Räumen dazwischen. S ist dabei die eigendliche Spaltöffnung die von kleinen Härchen umgeben ist (H). Diese Härchen sollen Verdunstung aus der Spaltöffnung verhindern und Luftfeuchtigkeit aufnehmen (oder eben Tau).
Deshalb kann meiner Meinung nach eine Wasseraufnahme auch nur über die Spaltöffnungen erfolgen, wenn diese geöffnet sind, und auch nirgendwo anders (natürlich Wurzeln und andere pflanzenspezifischen Besonderheiten ausgenommen :D).

MarcoPe
10.06.2008, 18:33
Hi JJ,

das spricht dafür, die Kakteen am Abend zu besprühen. Da traue ich mich aber nicht so ran, weil die Pflanzen ja nachts nicht feucht sein sollen. Hmm. Was tun?

Gruß Marco

Ralph
10.06.2008, 19:09
...das spricht dafür, die Kakteen am Abend zu besprühen...?

Ich betrachte das als Morgentau und sprühe daher morgens.

Viele Grüße
Ralph