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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Frosttoleranz von winterharten Kakteen - ein paar Gedanken



Anonymous
11.12.2006, 15:18
Ich habe festgestellt, dass die Frosttoleranz ein und derselben Art schwankend ist, je nach Herkunft, Klon innerhalb der Art, Mikroklima, Substrat, Anpassung, Witterung während des ganzen Jahres und Übergangswitterung vom Herbst in den Winter. Ja sogar ein und dieselbe Pflanze weist von einem Winter zum anderen eine unterschiedliche Frosthärte auf ! Man kann also nicht behaupten, eine Opuntia humifusa hält -25°C aus. Bei einem hält sie -30°C aus, bei jemanden anderen ist schon bei -18°C vorbei. Warum das?

Nun, dass diese Kakteen-Arten überhaupt Frost tolerieren, hat in erster Linie genetische Gründe. Es ist eine über Tausende von Jahren dauernde Anpassung an trockene UND kalte Regionen (an winterkaltes Wüstenklima). Darum besiedeln frostharte Arten vor allem die Bergregionen des amerikanischen Kontinents. Besonders frost- und feuchtetolerant sind die nordamerikanischen Opuntienarten, aber auch ein paar Echinoceren und Escobarien ertragen beides. Es gib auch in den Südamerikanischen Anden Kakteenarten, die ohne weiteres -15 oder -20°C aushalten und bis in 4000m Höhe wachsen, aber die hätten auf Grund unserer Luft- und Bodenfeuchte, selbst wenn wir sie ganz trocken hielten, keine Chance zu überleben. Die frosthärteste Kakteenart überhaupt, ist meines Wissens Grusonia pulchella, eine "Mikrocylindropuntia", polsterähnlich wachsend. Sie kommt u.a. in (Nord)Nevada vor. Sie erträg auch Kahlfröste von unter -40°C, aber nur bei optimaler Anpassung, trockener Luft und trockenem Substrat.

Im Spätsommer, wenn die Nächte kühler werden, beginnen die frosttoleranten Kakteen Zucker zu bilden. Zusammen mit der UV-Strahlung der Sonne tagsüber wird dieser Vorgang besonders intensiviert. Ein sonnig-trockener Spätsommer und Herbst erhöht also die zuckerähnlichen Stoffe im Zellinnern, sodass die Frosttoleranz merklich ansteigt. Denn Zucker ist ein hervorragender Frostschutz. Gefriert nämlich das Wasser im Innern der Zelle, durchstechen die Eiskristalle die Zellmembran und die Zelle stirbt ab. Das passiert bei 100'000enden von Zellen. Darum verwandeln sich die Kakteen nach dem Auftauen langsam in eine weiche, matschige Masse. Oft verfärben sich die Kakteenglieder, welche Zucker angelagert haben, bräunlich, rötlich oder lila (ähnlich reifen Früchten).

Ein zweiter Effekt, der zu beobachten ist, ist das Schrumpfen. Das Schrumpfen verläuft parallel zur Zuckeranreicherung. Ab einer gewissen Sprungtemperatur hört der Wasserzug in den Wurzeln auf, aber in den Gliedern wird noch Wasser verdunstet. Dadurch Schrumpfen die Kakteen und besonders die niederwachsenden Opuntien legen sich dann flach auf den Boden. Das ist auch ein Schutz, dass bei Schnee die Glieder nicht brechen. Das Schrumpfen kann durch Wasserentzug künstlich gefördert werden. Allerdings unterstützt ein Regendach ab November das Schrumpfen nicht mehr viel, das müsste dann schon ab mitte/ende September geschehen. Eine geschrumpfte Opuntia humifusa kann nämlich ruhig in feuchtem Substrat stehen, das macht nichts. Feuchtigkeit im Winter fördert bei mildem Wetter aber das Ausbreiten von Pilzen (zB. Russpilze). Von daher kann ein Regendach in Gegenden mit Regen (statt Schnee) und hoher Luftfeuchte (Tiefland statt Bergland) schon sehr nützlich sein. Ich habe auch Kakteen in den Bergen ausgepflanzt (auf 1200m Höhe!). Dort braucht es absolut kein Regendach. Denn die durchschnittlicheLuftfeuchte ist viel niedriger als im Flachland und die Pflanzen werden nie krank. Dafür ist die Temperatur niedriger und kälteempfindlichere Arten gedeihen schlechter.

Wer im Winter draussen die Opuntein beobachtet, kann folgende Feststellungen bezügl. der Frosttoleranz machen:
- grossgliedrigere Arten sind weniger frosthart wie kleingliedrigere (Opuntia lindheimeri <-> Opuntia fragilis)
- schrumpelige Arten sind frosthärter als Arten, die nicht schrumpfen (Opuntia humifusa <-> Opuntia engelmannii)
- aufrechte Arten sind weniger frosthart wie niederliegende Arten (Opuntia macrocentra <-> Opuntia pinkavae)

Das sind aber nur Faustregeln und es gibt, wie überall, Ausnahmen.

Aber auch aufrecht wachsende Arten, wie eine Opuntia engelmannii oder eine O.macrocentra, hält -15 bis -20°C aus. Allerdings braucht es dazu einen schönen Herbst und einen trockenen Standort. Denn diese Arten schrumpfen weniger bis gar nicht, aber es wird Zucker eingelagert. Dies gilt auch für viele Cylindropuntien und Grusonias, die zwar sehr frosthart sind, aber nur bei entsprechend trockenem, sonnigen Standort.

Viel Spass, Uwe

Uwe/Eschlikon
12.12.2006, 08:13
Zu obigem Posting:
Leider hat mit meinem Login schon wieder was nicht geklappt :cry:..und ich habs zu spät gemerkt.

Uwe

Flor
12.12.2006, 19:36
Hallo Uwe,

danke für diesen Beitrag. Damit kann man etwas anfangen :D .

Beste Grüße Flor

Uwe/Eschlikon
20.12.2006, 16:18
Hallo

Wie erwähnt ist die Frosttoleranz von div. Faktoren abhängig und nie einheitlich, weder innerhalb einer Spezies noch bei ein und derselben Pflanze. Witterungsverlauf, Mikroklima, Substrat, Herkunft/Selektion sind die wichtigsten Vorraussetzungen.

Folgende Arten sind sehr hart und in der Regel auch ohne Regenschutz zu kultivieren:
- Opuntia aurea
- Opuntia x columbiana
- Opuntia cymochila
- Opuntia fragilis
- Opuntia howeyi
- Opuntia humifusa
- Opuntia mackensenii
- Opuntia polyacantha var. juniperina/polyacantha/utahensis
- Opuntia pottsii
- Opuntia x Smithwick
- Cylindropuntia imbricata var. arborescens
- Cylindropuntia x viridiflora
- Cylindropuntia whipplei
- Echinocereus viridiflorus var. montana
- Ech. engelmannii
- Escobaria vivipara
- Esc. missouriensis
(wahrscheinl. gibt es noch ein paar Arten mehr :wink: )

Alle halten -20°C und auch Bodenfeuchte/Winterniederschläge gut aus, sofern die anderen "Rahmenbedingungen" stimmen.

Gruss, Uwe