Frank Vincentz
15.07.2006, 09:33
Hallo Sukkulentenfreunde,
in und um die Gattung Euphorbia herum haben sich kürzlich einige interessante Änderungen ergeben. Anbei ein kurzer Überblick.
Euphorbia ist eine der größten Gattungen im Pflanzenreich. Sie machte bisher einen Großteil des Subtribus Euphorbiianae Griseb. (Euphorbiaceae) aus und wurde dort von den kleinen, so genannten Satellitengattungen Cubanthus, Elaeophorbia, Endadenium, Monadenium, Synadenium und Pedilanthus begleitet.
Viele Botaniker versuchten schon seit langer Zeit, die als nicht monophyletisch bekannte Großgattung Euphorbia in kleinere, monophyletische Gattungen aufzuspalten. Ein Beispiel ist die Abspaltung von Chamaesyce durch Gray (1826). Chamaesyce konnte sich jedoch nie als eigene Gattung durchsetzen, da sich die Unterschiede zu Euphorbia nur auf einige körperliche Merkmale beschränkte und es offensichlich Übergangsarten zu Euphorbias Untergattung Agaloma gab. Ähnliche Probleme, zuverlässige Grenzen zwischen Euphorbia und abgespaltenen Gattungen zu finden, führten in der Vergangenheit zu einer Reihe von Synonymen wie Agaloma, Anthacantha, Arthrothamnos, Dactylanthus, Esula, Lacanthis, Lyciopsis, Medusae, Poinsettia, Sterigmanthe, Tithymalus, Treisia usw., denen häufig noch der Rang einer Untergattung oder Sektion zugestanden wurde.
Für eine Gattung im modernen Sinn ist es erforderlich, dass sie monophyletisch ist. Was heißt, dass sie eine gemeinsame Stammform hat und auch alle Untergruppen umfasst, die sich von dieser Stammform herleiten sowie die Stammform selbst (soweit nicht ausgestorben), jedoch keine anderen Gruppen. Euphorbia nach ihrer bisherigen Beschreibung war jedoch paraphyletisch, da sie z.B. alle Arten mit echten Cyathien umfasste, nicht jedoch die Arten mit abgeleiteten Merkmalen wie stark reduziertem Primärtrieb (Chamaesyce), verschmolzenen Nektardrüsen (Monadenium, Endadenium, Synadenium), miteinander verwachsenen Brakteen und zygomorphen Cyathien (Pedilanthus) und fleischig bleibenden Früchten (Elaeophorbia). Zudem gibt es etliche Übergangsarten, die die Abgrenzung der Satellitengattungen von Euphorbia als fraglich erscheinen lassen. So gibt es auch bei einigen "guten" Euphorbien zygomorphe Cyathien, teilweise miteinander verwachsene Brakteen, lange fleischig bleibende (erst spät verholzende) Früchte und Nektardrüsen mit der Tendenz zu verschmelzen. Und es gibt Monadenien, deren Nektardrüsen nicht vollständig verschmelzen.
Erst in jüngster Zeit brachten Genanalysen Ordnung in das Durcheinander. Steinmann & Porter (2002), Steinmann (2003) und Bruyns & al. (2006) zeigten, dass Euphorbia aus etwa 40 einzelnen Gruppen besteht und die Satellitengattungen tief in Euphorbia verschachtelt sind. Sollten die Satelliten als Gattungen erhalten bleiben, müssten alle etwa 40 Gruppen, deren Mitglieder dann kaum noch durch körperliche Merkmale zu unterscheiden sind, ebenfalls und mit dem gleichen Recht als einzelne Gattungen aufgefasst werden. Um diese wenig sinnvolle Zersplitterung zu vermeiden schlugen die o.g. Botaniker den einzig sinnvollen Weg ein, erweiterten die Beschreibung von Euphorbia ein wenig und gliederten die Satellitengattungen in Euphorbia ein. Bis auf die derzeit noch nicht bearbeitete und nahe mit Pedilanthus verwandte Gattung Cubanthus (mit 3 nicht sukkulenten Arten) gehören somit nun alle Arten des Subtribus Euphorbiinae zur Gattung Euphorbia.
Ein weiteres Ergebnis der Genanalysen ist, dass Euphorbia aus 4 Untergattungen (Chamaesyce, Esula, Euphorbia, Rhizanthium) besteht, die sich nicht mit den Untergattungen, wie sie durch die herkömmliche Botanik bekannt sind decken und sich auch in ihren Zusammensetzungen teils deutlich unterscheiden.
- Monadenium, Synadenium und Endadenium sind nicht zu trennen und gehören mit der früheren Untergattung Lacanthis (Christusdorn-Verwandschaft) zur Untergattung Euphorbia, die früher nur die Arten mit Dornen auf Schilden enthielt.
- Rhizanthium umfasst nun die meisten Arten der früheren Sektionen Anthacantha, Dactylanthes, Meleuphorbia, Treisia und Trichadenia.
- Chamaesyce umfasst die früheren Untergattungen Agaloma, Chamaesyce und Poinsettia sowie die frühere Sektion Arthrothamnus, deren koralliforme Arten keine körperliche Ähnlichkeit mit typischen Chamaesyce haben.
Auf dieser englischsprachigen Wikipedia-Seite ist eine Liste ALLER derzeit akzeptierten Taxa von Euphorbia zu sehen:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Euphorbia_species
In der Liste sind alle (mehr oder weniger) sukkulente Arten markiert und alle Namen aus den früheren Gattungen Elaeophorbia, Endadenium, Monadenium, Synadenium und Pedilanthus zu den neuen Namen als Synonyme aufgeführt.
Literatur:
- Steinmann, V. W. & Porter, J. M.: Phylogenetic relationships in Euphorbieae (Euphorbiaceae) based on ITS and ndhF sequence data. Ann. Missouri Bot. Gard. 89 (2002): 453–490.
- Steinmann, V. W.: The submerion of Pedilanthus into Euphorbia (Euphorbiaceae). Acta Botanica Mexicana (2003), 65: 45-50
- Bruyns, Peter V. & al.: The A new sub******* classification for Euphorbia (Euphorbiaceae) in southern Africa based on ITS and psbA-trnH sequence data. Taxon 55 (2) May 2006: 397–420
Bemerkung:
Infolge der Umbenennungen durch Bruyns ergeben sich derzeit zwei Konflikte. So gibt es zur Euphorbia kaessneri (N.E.Br.) Bruyns 2006 (syn. Monadenium kaessneri) schon eine Euphorbia kaessneri Pax 1909 und zur Euphorbia pseudograntii Bruyns 2006 (syn. Synadenium grantii) schon eine Euphorbia pseudograntii Pax 1901. In persönlicher Korrespondenz teilte mir Dr. Peter Bruyns mit, dass er sich des Problems bewusst ist und es mit einem Nachtrag zu seinem Artikel beseitigen wird.
Beste Grüße,
Frank
www.euphorbia.de
in und um die Gattung Euphorbia herum haben sich kürzlich einige interessante Änderungen ergeben. Anbei ein kurzer Überblick.
Euphorbia ist eine der größten Gattungen im Pflanzenreich. Sie machte bisher einen Großteil des Subtribus Euphorbiianae Griseb. (Euphorbiaceae) aus und wurde dort von den kleinen, so genannten Satellitengattungen Cubanthus, Elaeophorbia, Endadenium, Monadenium, Synadenium und Pedilanthus begleitet.
Viele Botaniker versuchten schon seit langer Zeit, die als nicht monophyletisch bekannte Großgattung Euphorbia in kleinere, monophyletische Gattungen aufzuspalten. Ein Beispiel ist die Abspaltung von Chamaesyce durch Gray (1826). Chamaesyce konnte sich jedoch nie als eigene Gattung durchsetzen, da sich die Unterschiede zu Euphorbia nur auf einige körperliche Merkmale beschränkte und es offensichlich Übergangsarten zu Euphorbias Untergattung Agaloma gab. Ähnliche Probleme, zuverlässige Grenzen zwischen Euphorbia und abgespaltenen Gattungen zu finden, führten in der Vergangenheit zu einer Reihe von Synonymen wie Agaloma, Anthacantha, Arthrothamnos, Dactylanthus, Esula, Lacanthis, Lyciopsis, Medusae, Poinsettia, Sterigmanthe, Tithymalus, Treisia usw., denen häufig noch der Rang einer Untergattung oder Sektion zugestanden wurde.
Für eine Gattung im modernen Sinn ist es erforderlich, dass sie monophyletisch ist. Was heißt, dass sie eine gemeinsame Stammform hat und auch alle Untergruppen umfasst, die sich von dieser Stammform herleiten sowie die Stammform selbst (soweit nicht ausgestorben), jedoch keine anderen Gruppen. Euphorbia nach ihrer bisherigen Beschreibung war jedoch paraphyletisch, da sie z.B. alle Arten mit echten Cyathien umfasste, nicht jedoch die Arten mit abgeleiteten Merkmalen wie stark reduziertem Primärtrieb (Chamaesyce), verschmolzenen Nektardrüsen (Monadenium, Endadenium, Synadenium), miteinander verwachsenen Brakteen und zygomorphen Cyathien (Pedilanthus) und fleischig bleibenden Früchten (Elaeophorbia). Zudem gibt es etliche Übergangsarten, die die Abgrenzung der Satellitengattungen von Euphorbia als fraglich erscheinen lassen. So gibt es auch bei einigen "guten" Euphorbien zygomorphe Cyathien, teilweise miteinander verwachsene Brakteen, lange fleischig bleibende (erst spät verholzende) Früchte und Nektardrüsen mit der Tendenz zu verschmelzen. Und es gibt Monadenien, deren Nektardrüsen nicht vollständig verschmelzen.
Erst in jüngster Zeit brachten Genanalysen Ordnung in das Durcheinander. Steinmann & Porter (2002), Steinmann (2003) und Bruyns & al. (2006) zeigten, dass Euphorbia aus etwa 40 einzelnen Gruppen besteht und die Satellitengattungen tief in Euphorbia verschachtelt sind. Sollten die Satelliten als Gattungen erhalten bleiben, müssten alle etwa 40 Gruppen, deren Mitglieder dann kaum noch durch körperliche Merkmale zu unterscheiden sind, ebenfalls und mit dem gleichen Recht als einzelne Gattungen aufgefasst werden. Um diese wenig sinnvolle Zersplitterung zu vermeiden schlugen die o.g. Botaniker den einzig sinnvollen Weg ein, erweiterten die Beschreibung von Euphorbia ein wenig und gliederten die Satellitengattungen in Euphorbia ein. Bis auf die derzeit noch nicht bearbeitete und nahe mit Pedilanthus verwandte Gattung Cubanthus (mit 3 nicht sukkulenten Arten) gehören somit nun alle Arten des Subtribus Euphorbiinae zur Gattung Euphorbia.
Ein weiteres Ergebnis der Genanalysen ist, dass Euphorbia aus 4 Untergattungen (Chamaesyce, Esula, Euphorbia, Rhizanthium) besteht, die sich nicht mit den Untergattungen, wie sie durch die herkömmliche Botanik bekannt sind decken und sich auch in ihren Zusammensetzungen teils deutlich unterscheiden.
- Monadenium, Synadenium und Endadenium sind nicht zu trennen und gehören mit der früheren Untergattung Lacanthis (Christusdorn-Verwandschaft) zur Untergattung Euphorbia, die früher nur die Arten mit Dornen auf Schilden enthielt.
- Rhizanthium umfasst nun die meisten Arten der früheren Sektionen Anthacantha, Dactylanthes, Meleuphorbia, Treisia und Trichadenia.
- Chamaesyce umfasst die früheren Untergattungen Agaloma, Chamaesyce und Poinsettia sowie die frühere Sektion Arthrothamnus, deren koralliforme Arten keine körperliche Ähnlichkeit mit typischen Chamaesyce haben.
Auf dieser englischsprachigen Wikipedia-Seite ist eine Liste ALLER derzeit akzeptierten Taxa von Euphorbia zu sehen:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Euphorbia_species
In der Liste sind alle (mehr oder weniger) sukkulente Arten markiert und alle Namen aus den früheren Gattungen Elaeophorbia, Endadenium, Monadenium, Synadenium und Pedilanthus zu den neuen Namen als Synonyme aufgeführt.
Literatur:
- Steinmann, V. W. & Porter, J. M.: Phylogenetic relationships in Euphorbieae (Euphorbiaceae) based on ITS and ndhF sequence data. Ann. Missouri Bot. Gard. 89 (2002): 453–490.
- Steinmann, V. W.: The submerion of Pedilanthus into Euphorbia (Euphorbiaceae). Acta Botanica Mexicana (2003), 65: 45-50
- Bruyns, Peter V. & al.: The A new sub******* classification for Euphorbia (Euphorbiaceae) in southern Africa based on ITS and psbA-trnH sequence data. Taxon 55 (2) May 2006: 397–420
Bemerkung:
Infolge der Umbenennungen durch Bruyns ergeben sich derzeit zwei Konflikte. So gibt es zur Euphorbia kaessneri (N.E.Br.) Bruyns 2006 (syn. Monadenium kaessneri) schon eine Euphorbia kaessneri Pax 1909 und zur Euphorbia pseudograntii Bruyns 2006 (syn. Synadenium grantii) schon eine Euphorbia pseudograntii Pax 1901. In persönlicher Korrespondenz teilte mir Dr. Peter Bruyns mit, dass er sich des Problems bewusst ist und es mit einem Nachtrag zu seinem Artikel beseitigen wird.
Beste Grüße,
Frank
www.euphorbia.de