Guten morgen,

nachdem ich hier gestern schon so viel Hilfe bekommen habe, wollte ich mich auch einfach mal vorstellen.

Mein Name ist Susanne Reinbolt, ich bin 36 Jahre alt und komme aus Hessen. Ich arbeite in einem Lotto-Toto-Zeitschriften-Tabakwarenladen und gehöre zu den Leuten, die mit Pflanzen nichts am Hut haben. (Gelegentlich ist mal das obligatorische Verlegenheits-Mitbringsel-Usambaraveilchen auf meiner Fensterbank verstorben, aber das war es auch.)

Vor ungefähr fünf Jahren kam ein neuer Kunde in den Laden, nennen wir ihn Herrn G. War damals bestimmt schon zwischen 70 und 80. Hat sich einmal die Woche seine Zeitschrift gekauft und sich dann immer etwas mit mir unterhalten. Macht man halt so, die älteren Leute haben Kommunikationsbedürfnis und man kann ja schlecht sowas sagen wie "Ich verkaufe Ihnen die Zeitung, aber reden will ich nicht mit Ihnen". Hin und wieder hat er mir auch von seinen Kakteen erzählt. Ich habe zugehört und interessiert klingende Fragen gestellt wie "Ach so?" oder Kommentare wie "Das ist ja interessant". Man lernt mit den Jahren, auch Gespräche über Dinge zu führen, von denen man null Ahnung hat. (Ich kann auch eine Stunde über Autos reden - ich habe nicht mal einen Führerschein und kann nur mit Mühe und Not den Kofferraum vom Motor unterscheiden) oder über Fußball. Wie dem auch sei, vor ca. 1 1/2 Jahren kam Herr G. plötzlich nicht mehr. Ich bin davon ausgegangen, dass er ins Altenheim gegangen oder gestorben ist - soll ja in dem Alter mal vorkommen.

Vor ca. 2 Monaten stand dann jemand im Laden, der sich als Notar und alter Freund des Herrn G. vorstellte. Er erzählte mir, Herr G. hätte einen Schlaganfall oder sowas gehabt, wäre über ein Jahr bettlägerig und pflegebedürftig gewesen und vor kurzem verstorben. Sein - nicht sehr reichliches - Erbe hätte er gespendet, nur seine Kakteen, da hätte er gewollt, dass ich die bekomme, weil ich immer so fasziniert war, wenn er erzählt hat. (Oh Gott...) Naja, jedenfalls war ich völlig perplex. Hatte ein schlechtes Gewissen (man hätte ja mal nachfragen können, als er plötzlich nicht mehr kam) und so weiter und habe viel gefragt. Nur die Frage nach der Menge und Größe der Kakteen habe ich irgendwie vergessen. Natürlich habe ich gesagt, dass ich die nehme. Letzter Wille und so, kann man ja schlecht nein sagen. Sofern ich überhaupt darüber nachgedacht habe, habe ich wohl sowas gedacht wie "Prima, stellst du die auf die Fensterbank, da ist es hell und warm, das mögen die ja und wenn du vergisst, die zu gießen (ich hatte zu dem Zeitpunkt nicht mal eine Gießkanne - wofür auch), dann ist das auch nicht schlimm.

Der Notar war total nett und hat mir die sogar noch vorbeigebracht. Wie gesagt, ich habe weder Führerschein, noch Auto. Ja und nun teile ich meine 43 Quadratmeter Wohnung mit geschätzten 200 kleineren und größeren Kakteen, die sich scheinbar nicht damit zufrieden geben wollen, einfach stillschweigend auf der Fensterbank zu stehen. Dazu kommt, dass sich wohl seit dem Schlaganfall des Herrn G. niemand mehr so recht darum gekümmert hat und vieles auch entsprechend aussieht. Was also nu? Ich versuche, mich durchzukämpfen, rauszufinden, wer wer ist und wer was wie will. Ich sortiere die kaputten und doppelten aus und versuche, Standorte zu finden. Leider wohne ich in einem Mehrfamilienhaus mit innenliegendem - und damit fensterlosem Treppenhaus. Mein Vermieter hat mir jetzt netterweise erlaubt, mir von einer Metallbaufirma im Außenbereich unter dem Dachüberstand von Pfette zu Pfette eine große Platte legen zu lassen (Ich wohne im Dachgeschoss, das ganze wird ca. 7 m lang und 40 cm breit). Somit kann ich dann wenigstens im Sommer stachelfrei wohnen. Was ich im Winter mache, weiß ich noch nicht. Ich erkunde gerade die Nutzbarkeit des über mir liegenden Speichers.

Seit ich die Kakteen habe, fluche ich sehr viel. Abwechselnd auf Herrn G., auf mich und auf die Pflanzen. Ich weiß nicht, wie viel Stacheln ich mir in den letzten Tagen schon aus den Pfoten gezogen habe. Die botanischen Namen und die Pflegehinweise bringen mich zur Verzweiflung. Aber ich muss zugeben, dass ich - wider Willen - zunehmend fasziniert bin von den Pflanzen. Wo soll das noch hinführen?

Ich hoffe also, dass ich hier weiter so viel Hilfe bekomme und mich vielleicht auch die Bücher noch mal etwas weiterbringen. Den Rest werde ich sehen. I'll cross that bridge when I come to it, wie der Engländer sagt. Erstmal noch mal danke an die Forumteilnehmer hier!

Liebe Grüße, SuRei